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 Ich hatte dir doch gesagt, mein Bruder feiert Geburtstag. Das
passte mit den Zeugnisferien gut zusammen.
 Das hast du mir nicht erzählt.
 Claudia, ich bitte dich. Lutz lachte. Mir war überhaupt nicht
zum Lachen zumute.  Ich habe es dir letzte Woche gesagt, Dum-
merchen. Wie auch immer. Sonntagabend bin ich zurück.
 Wirst du mich deiner Familie überhaupt irgendwann mal vor-
stellen? , blaffte ich ins Telefon, sodass selbst die Kellner zusam-
menzuckten. Lutz wurde schlagartig kühl und distanziert.
 Du benimmst dich wie ein Teenager, Claudia. Hör auf zu
schreien.
 Ich hab allen Grund dazu! Du stehst nicht zu mir.
 Das stimmt nicht.
 Warum stellst du mich dann niemandem vor? Ständig fühle
ich mich wie eine Geheimagentin, von der niemand erfahren darf.
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Du genießt alle Vorteile einer Beziehung, aber meidest alle
Nachteile. Du bist ein Parasit, weißt du das?!
 Wollen wir das nicht lieber persönlich erörtern? Du bringst
dich gerade in eine peinliche Situation mit deinem Gezeter.
 Erörtern? Ich erörtere mit dir gleich ein ganz anderes Thema,
mein Freund!
Warum drückte er sich nur immer so geschwollen aus? Das
regte mich noch mehr auf. Wütend legte ich auf und schmiss das
Handy auf den Tisch.
 Ist doch nicht zu glauben! , rief ich lauter als es höflich war
und erntete vom Nebentisch sogleich interessierte Blicke. Meine
Freundinnen versuchten, mich zu beruhigen, was ihnen aber nicht
wirklich gelang. Ich war rasend vor Wut und hatte das Gefühl, dass
sich alles entlud, was sich in den letzten Monaten aufgestaut hatte.
Lutz konnte von Glück sprechen, nicht in meiner Nähe zu sein,
sonst hätte ich für nichts garantieren können. Ich nahm mein
Handy und wählte Kens Nummer.
 Hallo? drang Kens Stimme an mein Ohr.
 Morgen Abend um Acht bei uns.
Dann legte ich auf. Das Aufstöhnen meiner Freundinnen war
noch am anderen Ende der Stadt zu hören.
Sie versuchten den ganzen Abend lang, mir das Treffen mit
Ken auszureden, aber ich war standhaft. Es war ja nicht so, dass ich
Ken ernsthaft eine zweite Chance geben wollte, aber mein verletztes
Ich brauchte Streicheleinheiten und Ken konnte sie mir geben. Ich
versprach den Mädels hoch und heilig, ihn den ganzen Abend lang
auf mindestens einer Armlänge Abstand zu halten, bevor wir un-
sere Runde auflösten.
***
Ken war zwei Minuten zu früh dran. Er stand mit dem größten
Strauß Rosen, den ich je gesehen hatte, in der Wohnungstür. Der
Strauß war so groß, dass ich Kens Gesicht nicht sehen konnte.
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 Wunderschöne Blumen für eine wunderschöne Frau , sagte er
 auf Deutsch! Ich sah ihn perplex an, denn wir unterhielten uns
von jeher auf Englisch. Die paar Brocken Deutsch, die Ken über die
Jahre gelernt hatte, beschränkten sich auf  Ein Bier bitte und  Ich
liebe dich (ein Satz übrigens, den Lutz noch immer nicht über die
Lippen gebracht hatte). Seine Überraschung war ihm also gelun-
gen. Ich nahm die Rosen entgegen und stellte sie ins Waschbecken.
Ken zog seine Jacke aus und hängte sie an die Garderobe, während
ich aus der Vitrine eine passende Vase heraussuchte.
 Seit wann lernst du denn Deutsch? , fragte ich dann endlich,
als mir wieder eingefallen war, wie man spricht. Ken lächelte und
ich musste eine Pfütze unter mit wegwischen, weil ich
dahingeschmolzen war.
 Ich habe nur für dich gelernt.
Mike, Ken und ich bestellten Pizza (etwas, das Lutz und ich nie
taten, weil er diesen  Fraß , wie er es nannte, nicht durch den Hals
bekam) und sahen uns  Der Herr der Ringe im Fernsehen an
(ebenfalls ein Film, den ich mir sonst nur alleine angucken konnte).
Entgegen meiner Erwartungen fühlte sich das alles keineswegs
fremd an. Es war, als hätten wir uns nie getrennt. Wir lachten über
die gleichen Szenen, fühlten mit Frodo und seiner Last und litten
mit den Gefährten. Mir wurde wieder bewusst, warum ich mich
damals in Ken verliebt hatte: Er war mein Seelenverwandter.
Ken machte keine Anstalten, mich zu küssen oder mich in den
Arm nehmen zu wollen. Wir verbrachten lediglich einen sagenhaft
schönen Abend, und ich fühlte mich geborgen wie lange nicht
mehr. Stattdessen unterhielten wir uns über die vergangene Zeit
und wie unsere Leben im Augenblick aussahen. Er hatte sich von
seinem Arbeitgeber an die deutsche Zweigstelle schicken lassen und
arbeitete nun als Manager bei Welius Versicherungen, einer der
größten Versicherungen des Landes. Er hatte Glück, dass seine
kaum mehr vorhandenen Deutschkenntnisse nicht nachteilig
waren.
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 Die sprechen alle Englisch! , erzählte er begeistert. Ich fragte
mich, wie er sich vor zwanzig Jahren durchgeschlagen hatte, als wir
uns in Deutschland kennengelernt hatten. Ich hatte schon immer
nur Englisch mit ihm gesprochen, aber damals war sein Deutsch
gar nicht so schlecht gewesen. Andererseits vergaß man eine
Sprache auch sehr schnell, sobald man sie nicht mehr benutzte.
Mike berichtete ihm von der Schule und seinen Lehrern. Es
war bereits nach Mitternacht, als ich auf die Uhr blickte.
 Mike, du gehörst ins Bett.
 Mom, ich habe Zeugnisferien! Bitte, ich bin noch nicht müde!
Ich wollte gerne noch ein paar Minuten mit Ken alleine
sprechen, bevor er ging und ich war bereits müde.
 Bitte, du kannst Dad morgen wiedersehen. Unternehmt doch
etwas miteinander.
 Dad , flehte Mike,  bitte, ich will noch nicht ins Bett. Ich bin
doch nicht mehr zehn!
Ken sah mich kurz an und schüttelte den Kopf, als er Mike
antwortete.
 Sorry, aber ich denke auch, dass du jetzt lange genug wach
warst. Ich habe eine Idee: Lass uns doch morgen zu den EWE Bas-
kets gehen. Ich habe gelesen, dass die morgen spielen. Aber nur,
wenn du jetzt schlafen gehst.
Als großer Basketballfan konnte Mike das Angebot natürlich
nicht abschlagen.
Mike verschwand in sein Zimmer. Ken starrte die Tüte Chips
an, die auf dem Couchtisch lag.
 Liebst du mich eigentlich gar nicht mehr, Claudia? , fragte
Ken nach einer Weile, in der wir einfach schweigend nebeneinander
gesessen hatten.
 Ich bin in einer neuen Beziehung, Ken. Mach diesen schönen
Abend nicht kaputt.
 Das war keine Antwort auf meine Frage.
 Ich kann dir nicht mehr vertrauen , antwortete ich. Wir
schwiegen wieder.
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 Und wenn du wieder könntest?
 Ich kann es nicht.
Ich wagte einen Seitenblick auf Kens Gesicht. Er hatte die
Arme auf die Beine gestützt und die Hände wie zu einem Gebet
gefaltet.
 Was muss ich tun, damit du mir wieder vertrauen kannst?
In seiner Stimme lag das Leid der ganzen Welt. Ich glaubte
sogar seine Augen schimmern zu sehen, aber er wischte sich schnell
darüber. Es war eine unangenehme Situation, beklemmend und ir-
gendwie erdrückend. Natürlich wollte ich am liebsten all meine
Zweifel über Bord werfen und mein Gesicht in seinem Hals verg-
raben, seinen Geruch einatmen und mit ihm verschmelzen. Aber
ich konnte es nicht.
 Das weiß ich auch nicht , flüsterte ich traurig.
Mit etwas gedrückter Stimmung verabschiedeten wir uns, und
Ken ging zurück ins Hotel. Ich verkroch mich unter meine
Bettdecke und ließ meine Gedanken rotieren.
Ken war wieder da.
Ich liebte Lutz nicht so, wie ich Ken früher geliebt hatte.
Aber liebte ich Ken noch immer?
***
 Der Abend war wunderschön.
Mehr beinhaltete die SMS nicht, die ich auf dem Handy empf-
ing, kurz bevor ich einschlief. Ich beschloss, nicht zu antworten.
Ich musste Lutz zur Rede stellen, es nutzte alles nichts. Kens
Erscheinen wühlte mich auf und säte Zweifel in mir, die ich im
Keim ersticken wollte. Ich rief Lutz auf dem Handy an. [ Pobierz całość w formacie PDF ]

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