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einem groben viereckigen Gesicht, gebleckten
Zähnen, einem langen grünen Gewand, das er aus
dem Rest eines Morgenrocks von Ivana hergestellt
und mit gelben Perlchen bestickt hatte. Es folgten
andere Puppen, immer mit viereckigen Gesich-
tern, großen Mündern und gefletschten Zähnen.
Dann kam Aurora nach Hause. Sie war sehr mager
und braungebrannt und hatte sich in Teheran einen
langen, sternenübersäten Kasack gekauft. Sie teilte
Ilaria mit, sie und Aldo hätten beschlossen, sich zu
trennen. Auf der Reise hatte sie sich in einen
anderen verliebt. Sie sagte ihr das wenige Stunden,
nachdem sie angekommen war, setzte sich dazu ins
Wohnzimmer und wand ihre Haare, die ziemlich
schmutzig und nach ihrer eigenen Aussage seit
Wochen nicht mehr gewaschen waren, um einen
Finger. Ilaria begann zu weinen. Es gebe nichts zu
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weinen, wies Aurora sie zurecht, denn sie sei sehr
glücklich und fühle in sich eine große Klarheit.
Was Aldo anging, so respektierte er die Wichtig-
keit ihrer Gefühle und war nicht unglücklich. Die
Sache mit den Marionetten stellte für ihn einen
Weg dar. Das Wesentliche im Leben sei, sich mit
zusammengebissenen Zähnen dem Unglück zu
verweigern. Drei Dingen müsse man sich verwei-
gern, der Heuchelei, der Resignation und dem
Unglücklichsein. Als sie mit Emanuele geschlafen
hatte, hatte sie noch in derselben Nacht Aldo
geweckt, um ihm das zu erzählen. »Und wer ist
dieser Emanuele«, fragte Ilaria müde. »Ema-
nuele«, antwortete Aurora, »ist ein wunderbarer
Junge. Ich stelle ihn dir vor. Er beschäftigt sich mit
Sprachphilosophie.«
Es fiel Ilaria schwer, Pietro zu sagen, daß Aurora
und Aldo sich trennten. Es fiel ihr schwer, es
Cettina zu sagen. Sie erwartete, daß sie auf diese
Nachricht mit Ausrufen des Erstaunens reagieren
würden. Vor diesem Sommer hatten sich Aurora
und Aldo dauernd in den Armen gelegen. Jetzt
verbrachte Aurora den ganzen Tag außer Haus,
selbst zu den Mahlzeiten kam sie nie, und Aldo war
gänzlich in seine Puppen vertieft, erschien wie
sonst zur Essenszeit und setzte sich in aller Ruhe an
den Tisch, als sei nichts geschehen. Nur auf seinem
großen Schmollmund konnte man ein etwas deut-
licheres Schmollen und auf seiner Stirn unter dem
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buschigen verschwitzten Haar einige Falten ent-
decken. Weder Pietro noch Cettina äußerten
besonderes Erstaunen. Cettina meinte: »Die
einen heiraten, die anderen trennen sich. Herr
Pietro will heiraten, hat man mir erzählt. Das ist
schön. Aurora und Aldo haben zu jung gehei-
ratet. Das ist schlimm.« Pietro äußerte sich:
»Schade. Es stimmt zwar, daß an Aldo nicht viel
dran ist. Das Pulver hat er nicht gerade erfunden.
Trotzdem ist es schade.« Er sprach von Aldo, als
sei er tot oder weit fort. Dabei war Aldo immer
noch mit seinen Puppen in der Nebenwohnung.
Er hatte begonnen, seine Bücher und den gan-
zen Kram, den er zu seiner Puppenmacherei
brauchte, in ein Zimmer in der Via dei Serpenti
zu transportieren, das er gefunden hatte und mit
einem Freund teilen wollte. Aber er transpor-
tierte ohne jegliche Eile jeweils nur zwei oder
drei Bücher oder zwei Gegenstände, und im
übrigen war das Zimmer noch nicht bereit, der
Freund weißelte gerade die Wände. Er kam nicht
mehr zum Essen zu Ilaria, weil Aurora ihm ge-
sagt hatte, es habe keinen Sinn, daß er noch dort
esse. Er ging zum Essen in einen Schnellimbiß an
der nächsten Ecke. Cettina sah ihn dort im Vor-
übergehen, und er tat ihr leid, sagte sie, denn es
war traurig, ihn hoch oben auf einem der hohen
Sitze hocken zu sehen mit einem Tellerchen voll
kalter und fettiger Zichorie vor sich. Cettina
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kannte diese Speisen, weil sie dort ständig vor-
beikam, und fand sie regelrechten Dreck.
Rirì kam von ihrer Trinkkur nach Hause. Sie
erschien sofort, wußte aber bereits alles über
Aurora und Aldo, weil Pietro ihr am Telefon
erzählt hatte, was vorgefallen war. Rirì war die
einzige, die ihrem Erstaunen und Mißfallen Aus-
druck verlieh, Ilaria küßte und tröstend strei-
chelte. Das verursachte Ilaria einen schärferen
Schmerz, aber auch ein Gefühl der Erleichterung.
Rirì war der einzige Mensch, mit dem sie wie mit
sich selbst über diese Trennung sprechen konnte.
Sie dachte an den Abend zurück, als sie auf der
Terrasse gesessen hatten und Pietro ihr von Auro-
ras und Aldos Kindern sprach, die dort in einem
kleinen Schwimmbecken aus Kunststoff mit
Schiffchen und Schwimmringen spielen würden,
und dieser Abend kam ihr unendlich fern vor,
obgleich seitdem kaum ein Monat oder etwas mehr
verstrichen war. Rirì kannte Emanuele, wie sie
immer alle kannte. Sie sagte, er sei ein wetterwen-
discher, wirrköpfiger Junge, kein bißchen gut
aussehend, vielmehr häßlich und dick. Ilaria
schwirrte zu dieser Zeit das Wort »wunderbar« im
Kopf herum, weil sie sich an Ombrettas Ansichts-
karte erinnerte, »eine wunderbare Gegend«, und
weil nach Auroras Aussage Emanuele wunderbar
war, den sie sich nicht häßlich und dick vorstellen
konnte, wie Rirì ihn schilderte. Rirì konnte das
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Schicksal aus den Karten lesen. Sie hatte Aurora die
Karten gelegt und den Kerker, den Gehängten und
den Mönch gesehen, was Einsamkeit und Keusch-
heit bedeutete. Aber zum Schluß kam die Sonne.
Sie hatte auch Ilaria die Karten gelegt. Ilaria hatte
den eingestürzten Turm, was Ruin bedeutete, und
dann den Thron des Papstes, was Erfolg und
Macht verhieß .Doch war es mehr denn je notwen-
dig, daß sie daran dachte, sich aufs Land zurückzu-
ziehen, sagte Rirì, und versuchte, ihr eigenes
Leben zu leben, fern von Auroras und fern von
Pietros Sonderbarkeiten. Pietro wollte in wenigen
Wochen heiraten und plante, die Wohnung zu
wechseln, aber Rirì war ganz sicher, er werde
bleiben, wo er war, und sie müsse für das Nönn-
chen und alle anderen Magddienste verrichten.
Rirì hatte das Nönnchen in Fischerhosen und
kariertem Kasack auf der Straße gesehen, und sie
war ihr anmutig erschienen, aber klein und olivfar-
ben, mit schönen Haaren, einer leichten Enten-
schnabelnase und erheblich krummen Beinen.
Rirì fragte Ilaria, ob sie ein weibliches Kätzchen
wolle. Im Haus ihrer Mutter gab es ein weibliches
Kätzchen, eine Stiefschwester des früheren Ka-
ters, der so übel ums Leben gekommen war. Dieses
Kätzchen war jetzt ein paar Monate alt und konnte
eine Frau für Pelzchen abgeben. Und Ilaria hatte,
sagte Rirì, die Anhänglichkeit eines weiblichen
Kätzchens nötig, das sie trösten werde. Pelzchen
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wandelte auf Liebespfaden, miaute Tag und
Nacht, und Ilaria öffnete ihm auf Rirìs Rat die
Terrassentür, Pelzchen strich auf der Suche nach
Kätzinnen über die Dächer, und man mußte sich
die Seele aus dem Leibe schreien, wenn man nach
ihm rief, damit er nach Hause kam. Durch den
Portier erfuhren sie, daß Pelzchen jetzt auf die
Terrasse der Juweliersfrau zu gehen pflegte und
sich dort in Gesellschaft von Napoleon aufhielt.
Pelzchen und Napoleon waren innige Freunde
geworden. Ilaria dachte daran, wie Napoleon sich
tropfnaß, finster und wild an die Regenrinne
klammerte. Sie erinnerte sich daran, daß sie sich,
als sie ihn haßte, vorgenommen hatte, ihn in die
Villa Borghese zu bringen und dort auszusetzen.
Damals war Ombretta noch da. Aldo und Aurora
lagen sich ständig in den Armen. Sie glaubte, sie
würden Kinder bekommen.
Rirì kam mit der kleinen Katze in einer geflochte-
nen Tasche. Es handelte sich um ein sehr mageres
Kätzchen mit kurzem gebogenem Schwanz, und
es ähnelte dem früheren Kätzchen sehr, das [ Pobierz caÅ‚ość w formacie PDF ]

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